Bewegende Einblicke aus meinem VHS-Kurs
Als Kursleiterin des VHS-Kurses „Angstfrei(er) reden – die eigene Redeangst überwinden“ halte ich im Mai 2025 nach nunmehr vier Durchgängen inne, um meine Eindrücke festzuhalten. Dieser Kurs hat mich auf eine besondere Weise beeindruckt und ergriffen. Ich durfte wertvolle neue Erkenntnisse gewinnen.
„Angstfrei(er) reden – die eigene Redeangst überwinden“
Im Zentrum dieses Kurses stand für mich spürbar das Vertrauen. Ein tiefes Vertrauen zwischen den Teilnehmer/innen und auch in mir selbst ist gewachsen, das ich deutlich wahrgenommen habe.
Es ist mir einmal mehr bewusst geworden, dass der Wunsch, frei zu reden, gerade von denjenigen kommt, die unter Redeangst leiden. Sie variiert in ihrer Ausprägung. Im Extremfall kann sie so stark beeinträchtigen, dass sie nach ICD-10 als „Soziale Angst“ klassifiziert wird.
In diesem Kurs habe ich den intensiven Wunsch der Teilnehmer/innen, ihr Ziel „Angstfrei(er) reden“ zu erreichen, zum ersten Mal so deutlich gespürt. Es ist der Wunsch von Menschen, die Umgangs- und Handlungsweisen erlernen wollen, um angstfrei sprechen zu können.
„Mutboards“: Rückhalt durch gegenseitiges mutmachendes Feedback
Als Titelbild für diesen Beitrag habe ich bewusst die ANONYMEN Mutboards gewählt, die von den Teilnehmer/innen selbst gestaltet wurden. Diese bewusste englisch-deutsche Kombination von „Mutboards“ symbolisiert für mich auf wunderbare Weise die Unterstützung und den Rückhalt, den sich die Teilnehmenden gegenseitig geben. Denn diese mutmachenden Worte stammen nicht von mir. Sie sind das wertvolle, gegenseitige Feedback, das sich die fünf Teilnehmer/innen nach ihren jeweiligen Redeübungen schenkten. Jede/r von ihnen bedachte die vier anderen mit einem aufbauenden Wort, das anschließend auf ihrem persönlichen Mutboard Platz fand.
Die Wünsche und Erwartungen der Teilnehmer/innen an den Kursbesuch:
Zu Beginn des Kurses hatte ich die Teilnehmer/innen gebeten, ihre Wünsche und Erwartungen zu formulieren:
- Angestellte, die berufsbegleitend studiert und kurz vor ihrer Bachelorarbeit steht, wünscht sich nichts sehnlicher, als die Verteidigung ihrer Arbeit frei und selbstsicher gestalten zu können. Sie möchte sich in diesen Momenten frei fühlen. In der Abschlussübung am Sonntag konnte sie souverän mit der 5-Satz-Technik ihre Rede vor uns halten. Kompliment!
- Angestellter, benötigt das freie Reden auch beruflich. Interessanterweise ist das Sprechen in seinem beruflichen Alltag für ihn kein Problem, da er dort in seiner Rolle agiert und sich durch feste Strukturen geschützt fühlt. Schwierigkeiten treten jedoch in seinem privaten Umfeld auf, wo diese „Verkleidung“ fehlt. Hier lehnt er Redeanfragen oder Anfragen für öffentliche Auftritte ab.
- Student/in 1: „Für mich war der Kurs in der Volkshochschule ein niederschwelliger Versuch mich mit meiner Redeangst zu beschäftigen, dh nochmal genauer hinzusehen und vielleicht ein paar neue Methoden und theoretischen Input zu erhalten, um Abläufe besser zu verstehen und vielleicht anders darauf einwirken zu können.“
- Studentin 2: Für eine andere Teilnehmerin sind im Moment Referate besonders stressig. Dabei betont sie, dass ihr Kommunikation grundsätzlich große Freude bereitet, weil sie den Austausch mit anderen liebt. Angstfrei Sprechen zu können bedeutet für sie deshalb sich mitzuteilen ohne Angst davor verurteilt und ausgeschlossen zu werden. Sie erlebt v.a. in Kontexten wie Uni, Lohnarbeit, in neuen, ihr nicht vertrauten Gruppen immer wieder, dass ihr die Worte fehlen. Besonders für ihre berufliche Zukunft und für künftige Projekte möchte sie selbstsicherer Sprechen und ihre Ängste überwinden.
„Angst ist für mich ein ‚Spektrum‘. Mal bin ich weiter drin, mal weniger“
Die obige Aussagte stammt von der fünften Teilnehmerin, beruflich Unternehmerin, die seit vielen Jahren mit einer ausgeprägten Angst- und Panikstörung lebt und deswegen auch in Therapie war. Sie hat bereits unzählige Expositionen durchlaufen. In unserem Kurs schilderte sie während der „Angsttreppen“-Übung, dass für sie die größte Angst und Panik, die Konfrontation mit dem Tod ist. Mit dem U-Bahn fahren kommt sie (glücklicherweise) inzwischen gut klar. Sie hat sich für den Kurs „Angstfrei(er) reden“ angemeldet, da im Herbst 2025 eine bedeutende Ausstellungseröffnung ihrer Bilder in Rom (Italien) ansteht, bei der sie selbst über sich und ihre Kunstwerke vor anderen sprechen wird.
In der Abschlussübung am Sonntag hat sie diese Rede vor uns geübt und ihre Worte mit ihren Bildern illustriert. Es war ein wichtiger Schritt, der ihr bereits helfen konnte, die Angst etwas zu dämpfen. Grundsätzlich teilte sie eine wichtige Erkenntnis im Kurs:
„Ja, ich kann dich, Christine, mit deinem Anliegen verstehen. Mein Ehemann ‚versucht‘ das auch immer wieder. Doch ich sage ihm, danke, das ist lieb gemeint und ich nehme es auch gerne an, aber ich bin nicht dein ‚Projekt‘.“
Für sie ist Angst ein ‚Spektrum‘. Mal befindet sie sich weiter Richtung Angst, mal weniger. Sie kann so selbst lernen, welche Faktoren zu vermehrter Angst führen. Und sie kann sich konfrontieren und ggf. Symptome in bestimmten Situationen dämpfen.
Große Offenheit und aktiver Umgang mit der eigenen Angst im Kurs
Die oben beschriebene Offenheit und der aktive Umgang mit der Angst der Teilnehmer/innen, war sehr beeindruckend für mich in und mit dem Kurs. All diese individuellen Geschichten machen mir eines ganz deutlich: Auch wenn Menschen unter Redeangst leiden, sind die ‚Betroffenen‘ weiter arbeitsfähig. Es sind Menschen mit abgeschlossener Ausbildung, die in angesehenen Berufen tätig sind und dennoch unter dieser Angst leiden. Dies zeigt, wie tiefgreifend und gleichzeitig oft unsichtbar diese Herausforderung sein kann.
Ergänzend möchte ich betonen, wie dankbar ich bin, diesen Kurs als Leiterin begleiten zu dürfen. Es ist mir ein tiefes Anliegen zu vermitteln, dass Redeangst keine bloße Befindlichkeit ist, die man mit einem „reiß dich zusammen“ überwinden kann. Es ist eine ernsthafte psychische Belastung. Für uns, die diese Angst nicht kennen, ist es von größter Bedeutung, dies zu respektieren, nicht darüber hinwegzugehen und zu verstehen, dass sie ein Teil unserer Gesellschaft ist. Wir sind gefordert, einander mit Respekt zu begegnen.
Mein aufrichtiges Danke
Ein aufrichtiges Dankeschön an meine Teilnehmer/innen. Es war und ist mir eine besondere Freude, euch während dieses und der vergangenen Kurse zu begleiten und eure Entwicklung mitzuerleben. Euer aktives Mitwirken hat den Kurs jedesmal lebendig und inspirierend gemacht.
Ich danke allen meinen bisherigen und zukünftigen Teilnehmenden für ihr Vertrauen und ihren Mut. Ich freue mich darauf, dieses wertvolle Kursangebot weiterzuführen.
Deine