Müll erzählt viel über den Menschen
Müll zeigt gleichzeitig den CO2 Footprint unseres Lebensstils. Heute ist es ein Milliardengeschäft mit unserem Abfall. Da kommt einem, mir auf jeden Fall, dieser ideale Kreislauf einer Welt ohne Müll wie es die Grafik aus der Nürnberger Zeitung vom 29.09.2018 zeigt, fast als Märchen, Traum oder als hoffnungsvolle Möglichkeit vor, für Nach-Coronazeiten.
Die Antwort darauf vermag (leider) auch ich nicht zu geben. Doch ich zeige nach meiner Checkliste Müllvermeidung in diesem Beitrag auf, womit, wo und von wem dieses Milliardengeschäft mit dem Müll heute (noch) gemacht wird.
Abfall ist ein Milliardengeschäft
Im Vorwort zu Unser täglich Müll (Stern, Nr. 16 12.04.2018) fragt der Chefredakteur Christian Krug, ob es guten und bösen Müll gibt. Wird Altpapier am Ende doch verbrannt? Und ist die ganze Mülltrennerei nur ein riesiges Gutmenschen-Beruhigungsprogramm? Denn wie schon mehrfach in meinen Beiträgen geschrieben wirft statistisch jeder Deutsche fast 500 Kilogramm jährlich in diverse Tonnen. In seiner Broschüre Abfallwirtschaft Deutschland 2018 schreibt das Bundministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit von 351, 2 Millionen Tonnen Abfall jährlich in Deutschland.
Sortieren beherrscht der Deutsche ja fast schon weltmeisterlich. Doch ich selbst finde dieses Sortieren nach dem Prinzip Die richtige Mülltrennung – was gehört in welche Tonne ist schon meisterlich zu beherrschen. Deshalb ist es sicher auch für dich spannend den Rechercheweg des Sternteams aus 20 Reportern und Fotografen um den Inhalt eben dieser Tonnen zu verfolgen. Ich gehe mal ganz pragmatisch vor und wähle auch diese 4 „Tonnen-Farben“ mit ein paar Grünen-No-Go’s und Vorzeigemüllbranchen für die nachfolgende Darstellung.
Gelbe Tonne – Verpackungen
Als Nachhaltigkeitsexpertin fange ich mit einem Sonderfall des deutschen Recyclingsystem an: den Verpackungen. Anders als sonst, werden diese nicht sortenrein gesammelt, sondern über ihren Nutzungszweck definiert. Das kostet Milliarden, doch es funktioniert durch moderne Maschinen und es entstehen so aus alten wieder neue Materialien.
Die Quote ist stark vom Material abhängig. Sehr hoch liegt sie etwa bei Stahl mit 92,2 Prozent. Verpackungsmüll aus Kunststoff wird zu 49,7 Prozent wiederverwertet, aus Holz zu 25,8 Prozent. In Deutschland verursacht laut Umweltbundesamt So viel Verpackungsmüll wie nie (Stand: 18.11.2019) jeder jährlich 226,5 Kilo – eine deutliche Steigerung. Dieser Anstieg entstand durch online Handel und Einwegverpackungen. In 2017 gibt es ein Gesamt-Volumen von 18,7 Millionen Tonnen Verpackungsmüll.
Grünes No-Go: Einweggeschirr, To-Go-Verpackungen
Laut NABU gab es 2017 jährlich 350.000 Tonnen Einweggeschirr und To-Go-Verpackungen im Abfallaufkommen.
Über 60 Prozent der Abfälle aus Papier, Pappe und Karton sowie die Hälfte der Kunststoffabfälle fallen auf den Verbrauch von Einwegtellern, Einwegboxen und Ähnliches für Speisen: Hier fielen 2017 über 155.000 Tonnen Abfall an, darunter knapp 50.000 Tonnen für Pizzakartons. Hinzu kommen noch Einwegteller und -schalen, die Privathaushalte als Party- oder Picknickbedarf unbefüllt gekauft haben.
Grünes No-Go: Elektroschrott
Bereits in meinem 11. Impuls Mehrwert Secondhand – Zukunftssicht habe ich am 11. April 2020 auf die wachsende Bedeutung von Schrott verwiesen in Zeiten der Rohstoffknappheit. Deshalb wundert es mich auch nicht, hier zu lesen, dass keine andere Müllsorte Zuwachsraten wie der Elektroschrott hat. 2016 fielen bei jedem Bundesbürger durchschnittlich 22,8 Kilogramm dieses Mülls an. Dabei machen Smartphones, Tablets oder Laptops keineswegs den Löwenanteil aus, sondern Haushaltsgeräte wie Staubsauger, Toaster, Mikrowellen oder Kühlschränke.
Was jetzt kommt hat mich als Secondhand-Expertin schon beim ersten Lesen geärgert, gewundert, verblüfft, denn Elektroschrott ist ein boomender Markt, mit sehr viel Luft nach oben! Aber, nur aus einem Fünftel des globalen Elektroschrottberges werden fachgerecht die kostbaren Wertstoffe geholt. Von einem geschätzten Gesamtwert aller gewinnbaren Materialien im Müll von rund 55 Milliarden Euro im Jahr 2016 verschwindet ein Großteil einfach – auf Mülldeponien, in Schrottpressen oder Verbrennungsanlagen.
Grünes No-Go: Retouren, Überproduktionen
Noch reparierbaren Geräte landen ebenfalls nicht bei Secondhand-Händlern, sondern, wenn, dann bei dibiosen Händlern oder werden auf ausländische Deponien verschoben. Denn, und das ist wahrlich skandalös, Secondhand ist Wettbewerb für Neuhändler. Greenpeace zeigt, online-Händler Amazon vernichtet Retouren: Lagerung ist zu teuer und Gebrauchtverkauf unprofitabel. Andere Unternehmen vernichten Überproduktion und Retouren, da diese von Neukäufen ablenken.
Es geht laut taz um vernichtete Waren im Wert von 100 bis 200 Millionen Euro jährlich. Ähnliche Studien zu unverkaufter Überproduktion gibt es nicht, aber nach Branchenschätzungen wird hier Ware im Wert von 7 Milliarden Euro weggeworfen.
Vorzeige-Sparbranche: Grüne Tonne – Glas
In Deutschland gibt es seit 1974 ein flächendeckendes Sammelsystem für Glas, 250.000 Container stehen im Land. Die Deutschen sammeln Jährlich 2,3 Millionen Tonnen Glas.
Die Recyclingquote bei Glas liegt mit 84,4 Prozent.
Vorzeige-Kostenbranche: Blaue Tonne – Papier
Deutschland ist Spitze im Papierverbrauch sagt der WWF. Die Deutschen verbrauchen jährlich 20 Millionen Tonnen Papier, alleine 235 Kilo pro Jahr/Person für Küchenrollen, Pappbecher, Werbeprospekte, Druckerpapier und Taschentücher. Deutsche Haushalte verbrauchen jährlich ungefähr 7 Milliarden Papier-Küchenrollen. 6 Milliarden Pappbecher jährlich durch To-Go-Becher, die gespart werden könnten, wenn wir unseren Kaffee unterwegs aus einer Tasse oder Mehrwegbecher trinken würden.
Heute liegt der Altpapieranteil an der gesamten inländischen Papierproduktion bei rund 74 Prozent. Bei der Produktion von Papier aus Altpapier werden bis zu 83 Prozent weniger Wasser und 72 Prozent weniger Energie verbraucht als bei der Produktion mit Frischfasern. Das rettet bei 500 Blatt in Recyclingqualität 5,5 Kilogramm Baum vor dem Abholzen.
Weiter verbrauchen deutsche Haushalte jährlich ungefähr sieben Milliarden Papier-Küchenrollen. „Papier sparen und Wald schützen ist einfach“, erläutert WWF-Papierexperte Johannes Zahnen. „Wir könnten bundesweit jedes Jahr sechs Milliarden Pappbecher sparen, wenn wir unseren Kaffee unterwegs aus einer Tasse trinken würden. Das sind rund eine halbe Million Bäume, die nicht gefällt werden müssten.“
Die Recyclingquote liegt bei Papier und Karton bei 87,6 Prozent.
Braune Tonne – Bioabfälle
1985 begann die getrennte Sammlung biogener AbfälleI. 2017 fielen laut Umwelt- und statistischem Bundesamt 2019 in Deutschland etwa 15,8 Millionen Tonnen biogene Abfälle an. Wissenschaftlerin Ina Körner, zuständig in Hamburg für die Verwertung von Bioabfall sagt: „Müll ist, was wir dazu machen. Es ist eine Zuschreibung, kein Zustand. Das gilt selbst für vertrocknete Schnittblumen, schimmeliges Brot und Kaffeefilter. (…) Biomüll klingt so abwertend. Besser ist eigentlich Bioabfall, und noch besser Bioressource, denn es besitzt ein beachtliches Verwertungspotenzial.“
Bei genaueren Untersuchungen stellte sich raus, die Hälfte gerade der Lebensmittelabfälle wären vermeidbar gewesen. Aber, sagt Bäcker Gerd Hofrichter, Waren vom Vortag sind „für die Tonne“. Die Regale müssen voll sein. Das wollte er nicht länger. Deshalb gibt es jetzt „Brotretter“-Filialen ohne Profit, aber etwas vielleicht Wertvollerem: Sie sind ein Investment in gesellschaftliche Verantwortung.
Die Recyclingquote regelt seit 1998 die Bioabfallverordnung (BioAbfV), sie zeigt unter welchen Bedingungen Kompost und Gärreste in der Land- und Forstwirtschaft sowie auf gartenbaulich genutzten Böden genutzt werden dürfen. Ein Großteil der Bioabfälle wird kompostiert, wobei die enthaltene Energie nicht genutzt werden kann. Ziel ist es daher, den Anteil der Vergärung mit Biogasgewinnung bei den geeigneten Bioabfällen in Zukunft zu erhöhen.
Deutsche Abfallwirtschaft: Zahlen, Daten und Fakten
Abschließend nochmal der Verweis auf den Wertstoffblog von Doreen Brumme (Stand: 2017)
- 4.565 Unternehmen in der Branche Abfallentsorgung
- 266.824 Beschäftigte in der deutschen Abfallwirtschaft
- 70 Milliarden Euro Umsatz im Jahr
„Greenpaper“: Effizienz der deutschen Abfallwirtschaft
Oft und viel habe ich bereits zu den einzelnen Abfallsorten meine Zweifel an der ökologischen Effizienz der deutschen Abfallwirtschaft geäußert. Diese Zweifel werden gestützt durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Ökologische Effektivität und ökonomische Effizienz der dualen Systeme in der deutschen Abfallwirtschaft“ (Drucksache 17/12978 vom 4. April 2013).
Der Stern verweist in seinem Beitrag aus 2018 darauf, dass Plastik und Kunststoff die “Cash-Cow” des dualen Recyclingsystems ist. In Zahlen ausgedrückt hatte Deutschland 2014 Platz 3 in Europa mit 37,4 kg/Person und Jahr und einer Recyclingquote von “nur” 37,5 %.
Für den Recycling- und Umweltdienstleister Alba ist homogenes Rezyklat Gold wert. Die meisten Produkte bestehen jedoch aus durchschnittlich 5 verschiedenen Kunststoffen. “Wenn man es richtig macht, dann kann man sich kein besseres Recyclingmaterial vorstellen als Kunststoff“, sagt Manica Ulcnik-Krump von Alba stolz.
Aber Abfall und Plastik ist und bleibt ein Teufelszeug. Jährlich bestehen 75 Prozent des Mülls, der ins Meer gespült wird, aus Kunststoff. Eine Plastikflasche braucht im Meer rund 450 Jahre, um sich zu zersetzen.
Grüner Tipp: Argumente für deine Abfalldiskussionen
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