Was ist eigentlich Secondhand? Anfänge einer neuen Wachstumsbranche.
Was heißt für Sie eigentlich Secondhand? Diese Frage hat der Second-Hand-Vernetzt-Verband den Gebrauchtkunden seiner Mitgliedsfirmen bereits 1999 gestellt. Als häufigste Antworten wurden genannt:
- Billig/Preiswert (53 Prozent)
- Gebraucht (43,5 Prozent)
- Kleidung (21,5 Prozent)
Erstaunlich ist, dass z.B. Möbel, Haushaltsgeräte, CDs und Bücher nur im einstelligen Prozentbereich landeten.
Am Beispiel der Bekleidungsindustrie, neben Autos und Büchern eine der ersten Waren auf dem 2. Markt, findet sich im englischen Wikipedia diese Definition für Secondhand:
„A secondhand or used good is a piece of personal property that is being purchased by or otherwise transferred to a second or later end user.“
Einschub Mai 2020: Secondhand im Aufwind
Beim ersten Erstellen dieser Beitragsreihe in 2009 spielte das Kriterium Nachhaltigkeit /CO2-Footprint (noch) nicht so eine große Rolle für Secondhand. Das galt bis dahin auch für das Model Arizona Muse. Sie kaufte in der Vergangenheit oft und gerne neue Kleidung. Ihre Sicht änderte sich für die 31-Jährige am diesjährigen (2020) World Earth Day per Konferenzschalte. Ihr wurde bewusst, welchen enorm negativen Einfluß die Modeindustrie auf den Klimawandel hat:
„Als mir das bewusst wurde, begann ich mein Konsumverhalten radikal zu ändern, kaufte deutlich weniger ein und beschränkte mich auf das Kaufen von Second-Hand-Mode“.
Den Vereinten Nationen zufolge ist die Fast-Fashion-Industrie jedes Jahr für zehn Prozent der weltweiten Kohlendioxid Emissionen verantwortlich und wird in Sachen Umweltverschmutzung nur noch von der Erdölindustrie getoppt. Arizona Muse kauft seit diesem Wissen weniger und wenn, dann Secondhand.
Ein wesentlicher Meilenstein für Secondhand war das Jahr 1999
Ebay kam 1999 nach Deutschland! Durch diesen aus Amerika stammenden demokratisierenden Vermarktungs-Trend kam Gebrauchtes aus der Schmuddelecke und wurde quasi „hoffähig“. Es war cool und billig, im Netz einzukaufen. Viele Menschen haben diesen Weg seitdem nicht nur für die Beschaffung, sondern auch als Geschäftsmodell sehr erfolgreich für sich nutzen können. Ebay hatte sich 1995 in Amerika als Consumer-To-Consumer-Marktplatz mit flohmarktähnlichem Charakter gegründet und entwickelte sich bis heute zu einer Mischplattform aus: B2C (Business-To-Consumer)-Plattform mit Neuwaren professioneller Anbieter und Gebrauchtwaren privater Anbieter.
Ebay – Beginn der Professionalisierung einer neuen Branche
Nicht verwundern dürfte deshalb auch, dass im Jahr 2000 der Secondhand-Verband in Münster/Westfalen gegründet wurde. Die Aufgabe des Verbands ist laut Satzung bis heute: „§ 1 Der Zweck des Vereins ist die Förderung des Umweltschutzes im Sinne der Weiter- und Wiederverwendung gebrauchter Güter, der Second-Hand-Nutzung und der damit verbundenen Vermeidung von Abfall.“
Die Entwicklung ging schnell voran: Bereits 2003 fragte sich der Secondhand-Verband: „Boomt Second-Hand?“ Die Mitgliedsbetriebe meldeten gar Umsatzsteigerungen (in den Bereichen Wohnmöbel und Hausrat, Spielzeug, Textilien und Kindertextilien) von 5 bis 45 Prozent. Gleiches gilt auch für Ebay: „Edles geht, aber auch Gebrauchtes. Geradezu explodiert sind die Umsätze beim weltgrößten Online-Auktionshaus Ebay. Im Weihnachtsgeschäft handelten die Deutschen Waren im Wert von einer Milliarde Dollar über die Internet-Plattform. Damit steigerte Ebay seinen Umsatz im vierten Quartal 2002 gegenüber dem Vorjahr um 177 Prozent.“ (Focus, 27.01.03, S. 45f.)
In der Zeitschrift „Die Geschäftsidee“ (ver-)folgt der Autor Burkhardt Schmidt mit seinem Artikel „Second hand“ (6/2003) den Weg des Secondhand-Marktes weg von der Nische mit Arme-Leute-Image hin zur Professionalisierung mit Qualitätsstandards.
Im Jahr 2008 sagte die Geschäftsführerin des Second-hand-Vernetzt-Verbands, Daniela Kaminsik, in einem Gespräch mit der dpa in Münster sogar: „Der Trend zum Sparen und ein neuer Zeitgeist lässt deutsche Verbraucher derzeit häufiger zu Blusen, Hosen oder Röcken aus Second-Hand-Geschäften greifen. Finanzkrise und Konjunkturflaute gingen an den Läden mit Kleidung aus Zweiter Hand erst einmal vorbei. Noch, muss man allerdings sagen. Denn die Second-Hand-Läden spüren Veränderungen im Kaufverhalten meist erst verzögert – in einer zweiten Welle.“
Secondhand – Branchenkennzahlen bis heute nicht erfasst
Der Secondhand-Verband (Stand 2007) schreibt dazu: „Es gibt keine hilfreiche bundesweite Statistik über die Größe der Branche, Anzahl der Arbeitsplätze, Umsatzzahlen oder Ökobilanz. Eine verbandsinterne Erhebung ergab im Jahr 2006 ein Umsatzplus der Verbandsbetriebe von 13,4 Prozent. Es werden über 2000 Verbands-Mitglieds-Adressen betreut, ein Adressanbieter kann jedoch über 6000 Adressen bundesweit vermitteln. Intern gehen wir mindestens von der doppelten Anzahl an Betrieben aus.“
Bis zum Jahr 2009 hat sich die schlechte Datenverfügbarkeit nicht geändert: Es gibt vom Statistischen Bundesamt oder anderen offiziellen Stellen keine Statistik zur Gebraucht-Branche. Die Betriebe tauchen auf als „Einzelhandel mit sonstigen Gebrauchtwaren“ – deshalb nicht sehr repräsentativ und nicht aufgeschlüsselt nach Angebotssparten. Gesetzlich ist die Branche sehr schnelllebig. So sprechen auch Schätzungen des Verbandes 2008 bereits bundesweit von mehr als 8500 Secondhand-Geschäften, die neben Mode, Möbeln und Hausrat auch Babysachen oder Spielzeug anbieten.
Ergänzung Mai 2020: Branchenkennzahlen sind auch bis heute immer noch nicht flächendeckend erfasst, weder die Zahlen noch die Branchen-Benennung.
Es gibt nichts, was es nicht auch gebraucht gibt – Der Secondhand-Markt
Was gibt es nun alles secondhand? Die einfache Antwort ist: Fast alles. Es gibt Gebrauchthändler für Autos, Büromöbel, Technik, Elektronik, Maschinen, IT Hard- und Software, Versicherungen, Bücher, etc. Die Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen – da schau doch am besten bei ebay oder
ähnlichen Anbietern; dort bekommt man einen guten Überblick, was es alles gibt oder geben könnte. Das machen übrigens auch die Gebraucht-Händler zur Produkt- und Preis-Erstinformation.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Secondhand-Branche stetig wächst. Doch es ist noch so viel Dynamik drin, dass auch heute, zehn Jahre seit ihrem offiziellen Entstehen, erst Ansätze einer Professionalisierung in der öffentlichen Wahrnehmung und der internen Strukturierung da sind. Das zeigt nicht nur der Abschwung bei Ebay.
Ergänzung Mai 2020: Auch bis heute, nun immerhin schon 20 Jahre seit Ebay, Gebraucht ist in der allgemeinen Wahrnehmung „Trödel“ und kein Kauf mit Mehrwert bei Preis und Ressourcenschonung.
Ergänzung Mai 2021: Um die schlechte Verfügbarkeit der Branchenzahlen zu beheben, hat das Thema jetzt „EU-Status“ bekommen. So erstellt beispielsweise HUMANA Kleidersammlung GmbH eine fortlaufende Marktanalyse zu Second Hand Kleidung in der EU. Start war am 16.12.2020.
SECONDHANDCOUNTS jetzt auch via EU-Webseite
Projekt Secondhand Marktübersicht von HUMANA Kleidersammlung GmbH, vertreten durch Julia Breidenstein, PR-Managerin und Nachhaltigkeitsbeauftragte.
Die Marktübersicht für alle EU-Länder mit den Eckdaten der Second-Hand Branche ist jetzt auf der “European Circular Economy Stakeholder Platform“ zu finden. Wie viel gebrauchte Kleidung wurde im Laufe der Jahre importiert und exportiert? Wie viel neue „gebrauchte“ Kleidung steht dadurch wieder zur Verfügung? Wie viel wurde z.B. für zum Recyclen wieder eingesammelt?
Second Hand ist Nachhaltigkeit par excellence. Mit der Marktübersicht zeigt Julia Breidenstein, PR-Managerin und Nachhaltigkeitsbeauftragte, HUMANA Kleidersammlung GmbH auf, welche Bedeutung die Wiederverwendung von Kleidung jetzt schon hat und welches Potential es zu heben gilt.
Die EU will 2021 ihre Strategie für nachhaltige Textilien verabschieden. Bisher dreht sich die Diskussion zu sehr um Recycling und zu wenig um Wiederverwendung. Bereits beschlossen wurde, dass Kleidung ab 2025 flächendeckend gesammelt werden soll. Das ist gut. Zusätzlich muss die Wiederverwendung gezielt gefördert werden.
Die Marktübersicht über die Second Hand Branche in allen EU-Ländern: www.secondhandcounts.wordpress.com Auch zu finden in Suchmaschinen mit den Stichworten „ECESP“ und „Second Hand“.
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Ich freue mich über jedes Feedback – und über eine Bewertung meines ebooks erst Recht. Danke!
Ich gehe gerne Shoppen. Vor allen in Second-Hand-Läden. Gut zu wissen, dass diese Branche auch im Aufwind ist.